Gäbe es in unserem Förderverein Mitgliedsnummern, so könnte ich für mich wohl eine einstellige Mitgliedsnummer reklamieren. Ich war 37 Jahre meines Berufslebens am AGH (das Kürzel „ASH“ wurde erst später eingeführt) tätig, 20 davon als Oberstufenkoordinator.
Als ich 1970, frisch aus dem Referendariat, dem Abendgymnasium mit Realschule Vor dem Holstentor zugewiesen wurde (so hieß unsere Schule damals offiziell; die Abendhauptschule kam erst Jahre später hinzu), konnte diese gerade ihr 25-jähriges Bestehen feiern.
Wie an Hamburger Schulen seinerzeit üblich, existierte auch am AGH ein Schulverein. Er sah angesichts begrenzter finanzieller Mittel seine Hauptaufgabe darin, besonders erfolgreichen Absolventen anlässlich der damals halbjährlich stattfindenden Entlassungsfeiern Buchpreise zu überreichen. Geleitet wurde er von einem liebenswerten und honorigen Kollegen, Oberstudienrat Nagel, der viele Jahre am Abendgymnasium die Fächer Deutsch und Englisch unterrichtete.
Der damalige Zeitgeist, der im Nachgang zu den 68er-Studentenunruhen zeitweilig die Atmosphäre zwischen Lehrer(inne)n und Schüler(inne)n erheblich belastete – man denke an damals gängige Parolen wie „Trau keinem über dreißig!“ – führte dazu, dass die herkömmlichen feierlichen Abiturfeiern von der Schülerschaft vehement abgelehnt wurden. Die Absolventen zogen es vor, sich nach bestandener Abschlussprüfung den „Wisch“ nur noch informell im Schulbüro abzuholen.
Dies entzog dem damaligen Schulverein, der sowieso nur noch von ein paar Lehrkräften als Mitgliedern getragen wurde, den wesentlichen Daseinsgrund. Ein scharfzüngiger Kollege kommentierte hintersinnig, dass man, wenn man den Schulverein abschaffte, den Nagel auf den Kopf treffen würde.
So kam es dann auch. Um 1972 löste sich der Schulverein unserer Abendschule sang- und klanglos auf. Noch viele Jahre erinnerte im Schulbüro eine Metalltafel an sein Wirken, auf der die Namen der Laureaten eingraviert waren, eine Liste, die aber bereits in den sechziger Jahren abriss.
Zwanzig Jahre gingen ins Land, in denen es an unserer Abendschule keinen Verein ihrer Freunde gab. Mittlerweile hatte sich der Zeitgeist spürbar gewandelt. Das Verhältnis zwischen Lehrer- und Schülerschaft hatte sich wieder erfreulich entspannt, und aus dem Kreis der Absolvent(inn)en war auch längst der Wunsch artikuliert worden, ihren schulischen Erfolg doch feierlich zu begehen.
Schulleiter war seit 1973 Oberstudiendirektor Gerd Rosenkranz, der die Geschicke unserer Schule bis 2002, also fast 30 Jahre lang, erfolgreich leiten sollte. Von ihm ging 1992 die Initiative aus, einen Nachfolgeverein ins Leben zu rufen.
Dies war angesichts des traurigen Endes des Schulvereins alter Prägung ein durchaus gewagter Schritt. Aus dem Bereich der Tagesgymnasien gab es natürlich leuchtende Beispiele von Freundes- und Ehemaligenvereinen, die z. T. über Jahresbudgets im fünfstelligen DM- bzw. mittlerweile Eurobereich verfügten. Hinter ihnen standen aber – in Abhängigkeit vom Einzugsbereich – finanzkräftige Schülereltern. Zudem war erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass es angesichts der deutlich längeren Verweildauer in der Regel eine engere Verbundenheit der Absolventen mit ihrer ehemaligen Schule gab als an unserer Abendschule.
Grundidee für den neu zu gründenden Verein war es, einerseits die schulische Arbeit durch privates Engagement zu unterstützen, andererseits die Verbundenheit zwischen Lehrern und Schülern – aktiven wie ehemaligen – zu stärken. Dies führte zu einer Diskussion über die Namensgebung, bei der z. B. auch „Freundeskreis des Abendgymnasiums ...“ zur Debatte stand. Nach eingehender Diskussion setzte sich die heutige Bezeichnung durch, die den Fördergedanken in den Mittelpunkt stellte. Klugerweise vermied Herr Rosenkranz einen entscheidenden Geburtsfehler des alten Schulvereins, indem er schon bei der Neugründung Vertreter der Schülerschaft mit einbezog, und bei diesem konstruktiven und demokratischen Miteinander von Lehrer- und Schülerschaft – Aktiven wie Ehemaligen – ist es erfreulicherweise bis heute geblieben.
Es war von vornherein klar, dass ehrenamtliches Engagement, Spendenbereitschaft und nachhaltige Mitgliederwerbung Voraussetzungen für einen Erfolg unseres Fördervereins sein würden.
1992, vor 25 Jahren, gab sich der Förderverein eine Satzung, wurde ins Vereinsregister eingetragen und als gemeinnützig anerkannt. Es sei nicht verhohlen, dass es in Bezug auf Mitgliederzahlen und Spendenaufkommen trotz permanenter Werbebemühungen noch Luft nach oben gäbe, aber es war von vornherein klar, dass dem Verein alle Voraussetzungen fehlten, sich mit den oben erwähnten Pendants an manchen besonders begünstigten Tagesgymnasien zu vergleichen.
In der Anfangszeit stand die Beschaffung zusätzlicher Unterrichtsmittel im Zentrum der Vereinsaktivitäten. Elektronische Medien drangen zunehmend in die Unterrichtsarbeit vor. Bevor beispielsweise seitens der Schulverwaltung entsprechende Beschaffungsprogramme anliefen, sorgte der Förderverein für eine Grundausstattung heraus verstanden werden muss. Das war z. B. der Fall, wenn es darum ging, einen Satz wissenschaftlicher Taschenrechner zu erwerben, die einem heute förmlich nachgeworfen werden, seinerzeit aber einen stattlichen Preis hatten. So trug der Förderverein auch zur Erstausstattung der Abendschule mit Computern bei.
Im Laufe der Jahre erweiterte und verlagerte sich das Betätigungsspektrum des Fördervereins weg von der Beschaffung von Unterrichtsmitteln zur Kofinanzerung von Schulfesten, zur Erstellung und teilweisen Finanzierung von Festschriften, zur Unterstützung finanzschwacher Schülerinnen und Schüler, damit sie an Studienfahrten und kulturellen Veranstaltungen teilnehmen konnten, zur Finanzierung von Vorträgen und Theaterveranstaltungen in der Schule u. a. m. Immaterielle Unterstützung gab es für Fragebogenprojekte für Absolvent(inn)en und Ehemalige. Eine umfassende Würdigung der Aktivitäten und Leistungen des Fördervereins würde den Rahmen dieser kleinen Ansprache sprengen; dafür gäbe es auch Berufenere als mich.
Herrn Rosenkranz war es leider nicht vergönnt, das 25-jährige Bestehen seines „Ziehkindes“ zu erleben. Er verstarb im Jahr 2016 im Alter von 78 Jahren. Er hat auch über seine Pensionierung hinaus lange aktiven Anteil am Geschick unseres Fördervereins genommen, und es hätte ihn gewiss erfreut, dieses schöne Jubiläum mitfeiern zu können. Er dürfte stolz darauf sein, dass sich unser Verein zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Schullebens entwickelt hat. Es steht zu wünschen, dass unser Förderverein auch weiterhin eine Brücke zwischen der aktiven Lehrer- und Schülerschaft und allen Ehemaligen bleibt. Ich wünsche dem Förderverein und der Abendschule, der er dient, 25 weitere erfolgreiche Jahre.